Das Universum und der Urknall

Was wir heute wissen – und was nicht 

Der Forscher Dr. Richard Lieu stellt in einer aktuellen Studie den Urknall infrage.
Was wissen wir über den Ursprung unseres Universums?

Der Urknall markiert den Anfang unseres Universums – nicht innerhalb eines Raumes, sondern als
Entstehung von Raum und Zeit selbst. Trotz vieler Fortschritte bleiben grundlegende Fragen offen:
Wo fand der Urknall statt? Was war davor? Und was sind Dunkle Materie und Dunkle Energie?
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über das, was wir wissen – und das, was noch Rätsel aufgibt.
Aktuell lässt eine Studie aufhorchen, die eine Alternative zum Big Bang aufzeigt.

Vom ewigen Universum zur Urknall-Theorie

Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein gingen viele Wissenschaftler davon aus, dass das
Universum ewig und unveränderlich sei. Die Steady-State-Theorie postulierte, dass trotz Expansion ständig neue Materie entsteht, sodass die Dichte des Universums konstant bleibt. Dieses Bild änderte sich radikal, als Edwin Hubble 1929 entdeckte, dass sich ferne Galaxien von uns entfernen – nicht, weil sie durch den Raum fliegen, sondern weil sich der Raum selbst ausdehnt.


                                                                                                      600 000 Galaxien

Schon zuvor hatte Vesto Slipher Hinweise auf diese Bewegung gefunden, als er eine Rotverschiebung des Lichts vieler Galaxien beobachtete. Georges Lemaître verband diese Beobachtungen mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und schlug ein dynamisches, expandierendes Universum vor – eine Revolution in der damaligen Kosmologie.
Wie wir die Ausdehnung des Universums verstehen

Die Ausdehnung des Universums ist schwer vorstellbar. Hilfreich sind Vergleiche: Etwa der eines Luftballons, auf dessen Oberfläche Punkte auseinanderdriften, wenn er aufgeblasen wird. Oder ein Kuchenteig mit eingestreuten Rosinen, der im Ofen aufgeht. In beiden Fällen bewegen sich die Punkte nicht selbstständig – vielmehr dehnt sich das Trägermedium aus.  Auch in unserem Universum entfernen sich die Galaxien nicht, weil sie „fliehen“, sondern weil der Raum zwischen ihnen wächst.

Die Expansion lässt sich messen: Licht, das von fernen Galaxien zu uns kommt, erscheint umso
stärker rotverschoben, je weiter die Galaxie entfernt ist. Dieses Phänomen – eine Folge des
Doppler-Effekts – bildet die Grundlage für die Hubble-Konstante, die die heutige Expansionsrate beschreibt.
                                                 Kein Zentrum, kein Rand

Ein häufiger Irrtum ist, dass es einen Mittelpunkt der Expansion gibt – als säßen wir im Zentrum des Universums. In Wirklichkeit dehnt sich der Raum überall gleichmäßig aus, ohne Zentrum und ohne Rand. Der Urknall war keine Explosion an einem bestimmten Ort, sondern die gleichzeitige Entstehung von Raum und Zeit überall.
Auch die Vorstellung, das Universum dehne sich „in etwas hinein“ aus, ist falsch: Es gibt keinen äußeren Raum – der Raum selbst wächst.

Auch die Vorstellung, das Universum dehne sich „in etwas hinein“ aus, ist falsch: Es gibt keinen äußeren Raum –
der Raum selbst wächst.
                                            Wann begann das Universum?
Wenn sich heute alle Galaxien voneinander entfernen, muss früher einmal alles viel dichter zusammen gewesen sein. Dieses Prinzip ist einfach zu verstehen: Wenn etwas wächst, war es vorher zwangsläufig kleiner.
Rechnet die Wissenschaft die Ausdehnung des Universums rückwärts, erreichen sie einen Punkt, an dem alle Materie, Energie, Raum und Zeit in einem unvorstellbar kleinen und dichten Zustand konzentriert waren. Dieser Zustand markiert den Beginn unseres Universums vor etwa 13,8 Milliarden Jahren. Den Moment, in dem dieser Zustand auseinanderzubrechen begann, nennen wir den Urknall.

 

Wichtig zu verstehen ist dabei: Der Urknall war keine Explosion, die sich irgendwo in einem vorhandenen Raum abspielte. Vielmehr entstand der Raum selbst erst mit dem Urknall. Auch die Zeit begann in diesem Moment. Es macht daher keinen Sinn zu fragen, wo genau der Urknall stattfand oder was davor war – denn „davor“ und „außerhalb“ gab es schlicht nicht. Die überraschende Entdeckung:

Die Expansion wird schneller
Ursprünglich glaubten viele Forschende, dass sich die Ausdehnung des Universums mit der Zeit verlangsamen müsste. Denn alle Materie im Universum übt Anziehungskräfte aus – durch die Gravitation. Diese Gravitation sollte der Ausdehnung entgegenwirken, sie abbremsen und vielleicht sogar eines Tages zum Stillstand bringen.
Doch in den späten 1990er Jahren kam es zu einer unerwarteten Entdeckung: Astronomische Beobachtungen von weit entfernten……..

..Supernovae – das sind explodierende Sterne – zeigten, dass die Ausdehnung des Universums nicht langsamer wird, sondern sich beschleunigt. Die Entdeckung dieser beschleunigten Expansion veränderte unser Bild vom Universum grundlegend. Es musste eine Kraft geben, die der Gravitation entgegenwirkt und das Wachstum des Raumes antreibt. Forschende nannten diese unbekannte Kraft Dunkle Energie.

Dunkle Energie und Dunkle Materie: Die großen Unbekannten
Dunkle Energie macht etwa 70 % des gesamten Energieinhalts des Universums aus, Dunkle Materie etwa 25 %. Nur rund 5 % entfallen auf die uns vertraute „normale“ Materie.

                Dunkle Energie: Eine geheimnisvolle treibende Kraft

Was genau Dunkle Energie ist, weiß bis heute niemand. Klar ist nur: Etwa 70 % des gesamten Energieinhalts des Universums scheinen aus dieser unbekannten Form von Energie zu bestehen.

Dunkle Energie wirkt wie eine Art Anti-Schwerkraft. Während Gravitation Massen zusammenzieht, drängt Dunkle Energie den Raum auseinander. Dadurch wird die Expansion des Universums immer schneller.
Bislang konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Dunkle Energie nur indirekt nachweisen – über ihre Auswirkungen auf die großräumige Struktur des Kosmos. Ihre Natur bleibt eines der größten Rätsel der modernen Physik.

                         Dunkle Materie: Unsichtbare Masse im All

Neben der Dunklen Energie gibt es ein weiteres kosmisches Rätsel: die Dunkle Materie.
Schon in den 1930er Jahren stellte der Astronom Fritz Zwicky fest, dass sich Galaxien in Galaxienhaufen schneller bewegen, als es ihre sichtbare Masse erlauben würde. Ohne zusätzliche, unsichtbare Masse würden diese Systeme auseinanderfliegen.  Ähnliches beobachteten Forschende auch innerhalb einzelner Galaxien: Sterne in den äußeren Regionen rotieren schneller um das Zentrum, als es aufgrund der sichtbaren Materie möglich wäre. Offenbar existiert eine unsichtbare Substanz, die zusätzliche Gravitation erzeugt und die Galaxien zusammenhält. Man nannte diese Substanz Dunkle Materie, weil sie kein Licht aussendet oder reflektiert. Bis heute konnte Dunkle Materie nicht direkt beobachtet werden – weder durch Teleskope noch durch Laborexperimente. Ihre Existenz wird ausschließlich über ihre gravitativen Effekte erschlossen.

                                  Was war vor dem Urknall?

Eine der tiefsten und zugleich schwierigsten Fragen lautet: Was war eigentlich vor dem Urknall?
Nach unserem derzeitigen Wissen begann mit dem Urknall nicht nur der Raum, sondern auch die Zeit. Zeit selbst entstand erst in diesem Moment. Viele Physikerinnen und Physiker sagen deshalb: Die Frage nach einem „Vorher“ sei sinnlos, weil es ohne Zeit kein „davor“ geben kann.
Trotzdem gibt es verschiedene Überlegungen, wie man sich einen „Zustand“ vor dem Urknall vorstellen könnte:
Möglichkeit 1: Es gab wirklich nichts
Vielleicht existierte vor dem Urknall tatsächlich gar nichts – kein Raum, keine Zeit, keine Energie, keine Materie. Aus dieser Leere könnte unser Universum durch eine sogenannte Vakuumfluktuation entstanden sein.

Im Bereich der Quantenphysik entstehen ständig kurzlebige Teilchen und Antiteilchen aus dem Nichts. Diese „virtuellen Teilchenpaare“ existieren nur für winzige Bruchteile einer Sekunde und verschwinden dann wieder.

Einige Theorien nehmen an, dass eine solche Fluktuation in einer extremen Form das gesamte Universum hervorgebracht haben könnte. In diesem Fall wäre der Urknall eine spontane Entstehung von Raum und Zeit aus dem Nichts gewesen.
Möglichkeit 2: Es gab etwas anderes
Eine andere Möglichkeit ist, dass etwas existierte, bevor unser Universum begann – zum Beispiel ein anderer Zustand der Raumzeit. Vielleicht gab es ein instabiles „Vakuum“, das schließlich kollabierte und den Urknall auslöste.
Manche Hypothesen sprechen von einem Zyklus von Universen, bei dem unser Universum nur eines von vielen in einer langen Reihe ist. Andere Theorien beschreiben „quantengravitative Fluktuationen“, bei denen Gravitation und Quantenmechanik auf bisher unbekannte Weise zusammenwirkten. Auch die Idee eines Multiversums wird diskutiert: Vielleicht existieren unzählige Universen nebeneinander, und unser Universum ist nur eines davon, hervorgegangen aus einer Kette von kosmischen Prozessen, die außerhalb unseres beobachtbaren Bereichs ablaufen.

Der klassische Urknall beschreibt die Entstehung des Universums als einmaliges, singuläres Ereignis, aus dem Raum, Zeit, Materie und Energie hervorgingen. Doch nicht alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten dieses Bild für abschließend oder alternativlos. In den letzten Jahren wurden verschiedene Modelle vorgeschlagen, die den Ursprung des Kosmos auf andere Weise erklären.
Einer dieser Ansätze stammt von Dr. Richard Lieu, einem Physiker an der University of Alabama in Huntsville. Er schlägt vor, dass das Universum nicht aus einem einzelnen Urknall hervorgegangen ist, sondern aus einer Serie schneller, punktueller Energieausbrüche, sogenannten temporalen Singularitäten.
Diese Idee weicht deutlich von der klassischen Urknall-Theorie ab. Nach Lieus Modell treten über die Zeit hinweg immer wieder extrem kurze, aber sehr intensive Energieimpulse im gesamten Universum auf. Jeder dieser Impulse dauert nur einen winzigen Bruchteil einer Sekunde und durchdringt gleichzeitig den gesamten Kosmos.

Temporale Singularitäten: 
Kurze Impulse mit großer Wirkung
Was genau sind diese temporalen Singularitäten? Im Gegensatz zum klassischen Urknall, der den Beginn von Raum und Zeit markiert, handelt es sich bei diesen Singularitäten um zeitlich begrenzte, flüchtige Energieausbrüche.
Sie könnten dafür verantwortlich sein, dass sich das Universum heute so verhält, wie wir es beobachten: dass es sich beschleunigt ausdehnt, dass Galaxien mehr Gravitation zeigen als sichtbare Masse vorhanden ist und dass sich großräumige Strukturen gebildet haben.
In Lieus Modell wären Dunkle Energie und Dunkle Materie also keine echten, eigenständigen Substanzen. Vielmehr wären sie Effekte dieser schnellen Energieausbrüche – Nachwirkungen vergangener temporaler Singularitäten, die wir heute indirekt messen.
Multiversum: Gibt es viele Universen?
Neben der Theorie der temporalen Singularitäten gibt es noch radikalere Ideen: etwa die Vorstellung eines Multiversums.
In dieser Theorie existiert unser Universum nicht alleine. Stattdessen gibt es viele – vielleicht unendlich viele – Universen, die parallel existieren. Jedes Universum könnte eigene Naturgesetze, Dimensionen oder Zeitabläufe besitzen.
Das Multiversum könnte auf verschiedene Weise entstehen:
durch Quantenfluktuationen im frühen Universum,
durch Prozesse bei der kosmischen Inflation,oder durch Zyklen von Geburt und Tod verschiedener Universen.
Einige Modelle schlagen sogar vor, dass jedes neue Universum bei einem eigenen „Big Bang“ entsteht, möglicherweise als Abspaltung eines bestehenden Universum.

Das große Problem des Multiversums: die Beobachtbarkeit
Theorien über ein Multiversum sind faszinierend, doch sie haben einen erheblichen Nachteil: Sie könnten grundsätzlich unbeweisbar sein.
Wenn andere Universen außerhalb unseres eigenen Raum-Zeit-Kontinuums existieren, könnten wir sie niemals beobachten, messen oder beeinflussen. Ohne Möglichkeit zur Überprüfung bleibt das Multiversum eine philosophische Idee, keine empirische Wissenschaft. Dennoch regt die Multiversum-Hypothese die Forschung an. Manche Theorien der Stringtheorie oder der Quantengravitation führen fast zwangsläufig zu der Vorstellung vieler Universen. Ob diese Idee jemals testbar wird, bleibt eine offene Frage

Gab es gar keinen Urknall?

Der klassische Urknall beschreibt die Entstehung des Universums als einmaliges, singuläres Ereignis, aus dem Raum, Zeit, Materie und Energie hervorgingen. Doch nicht alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten dieses Bild für abschließend oder alternativlos. In den letzten Jahren wurden verschiedene Modelle vorgeschlagen, die den Ursprung des Kosmos auf andere Weise erklären.
Einer dieser Ansätze stammt von Dr. Richard Lieu, einem Physiker an der University of Alabama in Huntsville. Er schlägt vor, dass das Universum nicht aus einem einzelnen Urknall hervorgegangen ist, sondern aus einer Serie schneller, punktueller Energieausbrüche,
sogenannten temporalen Singularitäten.