Verstecken sich außerirdische Zivilisationen vor uns?
Eine neue Studie untersucht die Möglichkeit der „Zoo-Hypothese“ im Lichte des Fermi-Paradoxons.
Die Frage, warum wir noch keinen Kontakt zu außerirdischem Leben hatten, fasziniert nicht nur
UFO-Enthusiasten, sondern ist auch ein Kernthema der wissenschaftlichen Forschung. Der
berühmte Physiker Enrico Fermi, oft als „Architekt des Atomzeitalters“ bezeichnet und Nobelpreisträger,
warf dieses Rätsel bereits 1950 in einer Diskussion mit den Physikern Edward Teller, Herbert York und
Emil Konopinski auf.
Er fragte: „Wo sind sie alle?“ Diese Frage, gestellt vor dem Hintergrund eines 13,8 Milliarden Jahre
alten, lebensfreundlichen Universums, führte zum sogenannten „Fermi-Paradoxon“. Eine neue Studie
greift diese Frage auf und untersucht, ob außerirdische Zivilisationen möglicherweise existieren,
aber aus Gründen, die in der „Zoo-Hypothese“ diskutiert werden, vor uns verborgen bleiben.
Wie lässt sich das Rätsel der „großen Stille“ erklären?
Die in Nature Astronomy veröffentlichte Studie wurde von einem internationalen Team geleitet,
darunter Ian A. Crawford, Professor für Planetologie und Astrobiologie am UCL/Birbeck College,
und Dirk Schulze-Makuch, Professor für Planetare Habitabilität und Astrobiologie an der
Technischen Universität Berlin.
Zusammen mit Experten verschiedener Institutionen haben sie untersucht, warum das Universum
trotz jahrzehntelanger Beobachtungen und zahlreicher SETI-Studien, die nach Hinweisen auf
fortgeschrittene Zivilisationen durch Radioübertragungen und technische Signaturen suchen,
immer noch schweigt. Ihre Arbeit stellt diese „große Stille“ in Frage und legt nahe, dass es im
Universum noch viel zu entdecken gibt. SETI steht für Search for Extraterrestrial Intelligence,
beschäftigt sich also mit der Suche nach außerirdischen Zivilisationen.
Warum wurden noch keine Außerirdischen gesichtet?
Das Forscherteam nennt mehrere Möglichkeiten, warum es noch keine Beweise für außerirdisches
Leben gibt. Eine Erklärung ist die Hart-Tipler-Vermutung. Sie besagt, dass keine Beweise
gefunden können, weil es keine Außerirdischen gibt. Es könnte aber auch sein, dass
außerirdisches Leben so selten ist, dass die Wahrscheinlichkeit, es zu finden, nicht besonders hoch ist.
Sollte keine der beiden Theorien zutreffen, könnte die Zoo-Hypothese eine Antwort liefern:
Außerirdische verhindern aktiv unsere Fähigkeit, sie zu entdecken. In einem Interview mit
Universe Today führt Crawford diese Überlegungen weiter aus. Er betont, dass entweder die
unermessliche Größe des Weltraums oder bewusste Anstrengungen der Außerirdischen,
unentdeckt zu bleiben, die Gründe sein könnten, warum wir sie nicht beobachten.

Was ist die Zoo-Hypothese
Die „Zoo-Hypothese“ wurde 1973 von John A. Ball, einem Radioastronomen mit Verbindungen
zur Harvard University und zum MIT, vorgestellt. Diese Theorie geht davon aus, dass
fortgeschrittene außerirdische Zivilisationen von unserer Existenz wissen, sich aber bewusst
von uns fernhalten, um nicht in unsere natürliche Evolution und gesellschaftliche Entwicklung
einzugreifen. Ball erklärte, dass das offensichtliche Fehlen von Interaktionen zwischen Außerirdischen
und uns darauf hindeuten könnte, dass sie unsere Umwelt als eine Art Zoo betrachten, in dem sie uns
ungestört beobachten, ohne direkt einzugreifen.
Es wird angenommen, dass diese Zivilisationen hohe ethische Grundsätze haben und einer Art
oberster Direktive folgen, ähnlich der in Star Trek, die besagt, dass man sich nicht in die
Entwicklung technologisch weniger fortgeschrittener Spezies einmischen soll. Im Gegensatz
zu den feindseligen Begegnungen, die in den Filmen häufig dargestellt werden, legt diese
Hypothese nahe, dass die Außerirdischen freundlich gesinnt sind und keinen Schaden anrichten
wollen.

Crawford und Schulze-Makuch glauben an die Zoo-Hypothese
In einem Interview mit Universe Today erläuterte Professor Crawford seine Ansicht, dass
fortgeschrittene außerirdische Zivilisationen, wenn sie existieren, sich wahrscheinlich versteckt
halten.
Gleichzeitig hält er es für unwahrscheinlich, dass solche Lebensformen überhaupt existieren.
Sein Kollege Schulze-Makuch führt das Ausbleiben von Kontakten mit Außerirdischen auf die
Zoo-Hypothese zurück.
Bestärkt wird diese Annahme durch den jüngsten Bericht über unidentifizierte Flugobjekte, der
eine Vielzahl unerklärlicher Luftphänomene aufzeigt. Diese Phänomene machen es schwer, die
Existenz außerirdischer Intelligenz als Ursache zu leugnen. Schulze-Makuch betont die
Unwahrscheinlichkeit, dass die Menschheit das einzige intelligente Wesen im weiten Universum ist.
„Obwohl ich glaube, dass die Menschheit aufgrund ihres technologischen Fortschritts etwas Besonderes
ist, halte ich es für nahezu unmöglich, dass wir die einzige oder eine so seltene Form dieser Fähigkeit
sind, dass praktisch nichts anderes im Universum existiert“, sagte der Wissenschaftler.

Suche nach Außerirdischen nicht aussichtslos
Die beiden Forscher sind der Ansicht, dass bestimmte Methoden verfolgt werden sollten, um das große
Geheimnis zu lüften, ob wir allein im Universum sind. Zu diesen Methoden gehören die Suche nach
extraterrestrischer Intelligenz (SETI) und die Suche nach technologischen Signaturen wie
Dyson-Sphären, die von hochentwickelten Zivilisationen konstruiert worden sein könnten.
Sie argumentieren, dass die Behauptung, es gäbe keine Beweise für außerirdisches Leben, nur
dann gültig ist, wenn intensiv danach gesucht wird, wie es in ihrer Studie heißt. Dank der
Fortschritte in der Exoplanetenforschung, die durch modernste Technologien wie das
James Webb-Weltraumteleskop unterstützt werden, könnte die Suche nach Biosignaturen auf
Exoplaneten – Anzeichen für biologisches Leben oder Ereignisse und möglicherweise Intelligenz –
in naher Zukunft Realität werden.

Beweise für Außerirdische in den nächsten 15 Jahren?
Schulze-Makuch glaubt, dass wir Außerirdische entdecken können, selbst wenn sie sich vor uns
verstecken, wie es die Zoo-Hypothese annimmt. Er ist davon überzeugt, dass dies eines Tages
dank unserer fortschreitenden Technologie möglich sein wird. Der Professor prognostiziert,
dass wir beim derzeitigen Tempo des technologischen Fortschritts innerhalb der nächsten
15 Jahre Beweise für außerirdisches Leben finden könnten. Darauf hat er mit seinem Kollegen
Ian Forgan sogar eine Wette abgeschlossen.
Er räumt jedoch ein, dass die genaue Zeitspanne schwer zu bestimmen ist und stark von der
Geschwindigkeit des Fortschritts und der Wachsamkeit der
hypothetischen „Zoowärter“ abhängt. Nach dem Modell von Schulze-Makuch hängt das
Potenzial für Kontakte zwischen Zivilisationen von ihrer Anzahl ab: Je weniger Zivilisationen es gibt,
desto unwahrscheinlicher ist ein Zusammentreffen.
Das Modell legt auch nahe, dass es bei einer Lebensdauer der Zivilisationen von weniger als
einer Million Jahren wahrscheinlich ist, dass es mehrere galaktische Gruppen ohne einen
gemeinsamen Konsens gibt. In diesem Fall müsste ein Abkommen geschlossen werden, an dem
alle beteiligt sind. Wenn jedoch alle Zivilisationen länger als eine Million Jahre existieren, könnte
es nach diesem Modell einen einzigen „galaktischen Club“ geben.
Forgan weist darauf hin, dass verschiedene Zivilisationen, wenn sie in Kontakt treten,
wahrscheinlich sehr unterschiedliche Auffassungen über das Universum, die Rechte und
Pflichten empfindungsfähiger Wesen und die von ihnen geschaffenen Institutionen haben werden.

                                    Bisher entdeckte Exoplaneten 


Gibt es eine intergalaktische Richtlinie, die Menschen zu meiden?
Die Vorstellung, dass Außerirdische die Menschheit als Geister wahrnehmen, könnte auf eine
intergalaktische Richtlinie zurückgehen, die das ungestörte Wachstum weniger entwickelter Spezies
wie der unseren gewährleisten soll. Dieses Konzept wurde in einer Studie von Duncan Forgan,
einem Wissenschaftler der Universität St. Andrews, eingehend untersucht. In seiner 2016
veröffentlichten Arbeit mit dem Titel „The Galactic Club, or Galactic Cliques? Exploring the
limits of interstellar hegemony and the Zoo Hypothesis“ präsentierte Forgan eine mathematische
Simulation unserer Galaxie.
Diese Simulation untersuchte die Möglichkeit, dass hochentwickelte außerirdische Zivilisationen
einen Vertrag schließen könnten, um weniger entwickelte Gesellschaften wie die unsere zu schützen.
Forgan analysierte, wie die Kommunikation zwischen diesen Zivilisationen funktionieren könnte,
identifizierte die notwendigen Bedingungen für den Austausch von Nachrichten und bewertete,
welche Regionen der Galaxie am besten für Leben geeignet wären. Außerdem untersuchte er
mögliche Regierungsformen dieser außerirdischen Gemeinschaften. Die von ihm untersuchte
„Zoo-Hypothese“ bietet eine mögliche Erklärung dafür, warum die Menschheit noch keine
Begegnungen mit Außerirdischen hatte.


 

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Starke Hinweise auf erreichten Kipppunkt verdichten sich

Der Klimawandel verändert nun auch das Südpolarmeer. Beobachtungen und Statistik deuten auf
einen kritischen Übergang in der Antarktis hin – mit globalen Folgen.
Das Millionen-Jahre-Minimum des Meereises rund um die Antarktis, das im Jahr 2023 Fachleute
weltweit erstaunte, war eventuell ein Signal für grundlegende globale Veränderungen.
Schon im September 2023 hatten zwei australische Forscher die These aufgestellt,
das Meer um den Südkontinent sei in einen neuen Zustand übergegangen – ein möglicher
Klima-Kipppunkt. Nun stützen zwei neue Publikationen diese Vermutung und zeigen außerdem
mögliche globale Konsequenzen der Veränderungen am südlichen Pol der Erde auf. Denn die
Antarktis ist zwar abgelegen, aber keineswegs isoliert. Der Südozean, der den gefrorenen
Kontinent umströmt, spielt eine entscheidende Rolle für das weltweite Strömungssystem in den
Meeren, und der Energiehaushalt der Polarregionen beeinflusst das Wetter bis in die Tropen.

Die Regionen nahe dem Äquator nehmen sehr viel Sonnenenergie auf, während die Polarregionen
netto Energie verlieren. Das Ergebnis ist ein konstanter Strom von Energie von den Tropen in
höhere Breiten, der das Wetter der Zonen dazwischen antreibt – zum Beispiel auch den Jetstream
und die Tiefdruckgebiete in Europa. Doch wie nun Hamish D. Prince und Tristan S. L’Ecuyer
von der University of Wisconsin-Madison in den USA berichten, verändert sich der Energiehaushalt
auf der Südhalbkugel. Laut ihrer Analyse, die sie jetzt in der Fachzeitschrift »Journal of Climate«
veröffentlicht haben, nimmt die Antarktis immer mehr Wärme auf, während sich die Abstrahlung
nicht verändert.

Ursache ist der deutliche Rückgang des antarktischen Meereises seit etwa 2015; dadurch nimmt das
darunterliegende Wasser mehr Sonnenwärme auf. Im Zeitraum von 2000 bis 2020 sank das
Energiedefizit der Antarktis, das die Wettermaschine der Südhalbkugel antreibt, laut der Analyse um
1,4 Prozent. Darin ist das extreme Meereis-Minimum von 2023 noch nicht enthalten. Zukünftige
geringe Meereisbedeckung rund um die Antarktis könnten den Trend womöglich noch verstärken.
Fachleute warnen zwar davor, aus solchen relativ kurzen Datenreihen langfristige lineare Trends
abzuleiten, aber die Indizien verdichten sich, dass es langfristig auf dem Südozean weniger Eis
geben wird.

Das antarktische Meereis scheint tatsächlich eine Art Kipppunkt erreicht zu haben. Statistische
Argumente dafür präsentiert eine Arbeitsgruppe um Will Hobbs von der University of Tasmania
ebenfalls im »Journal of Climate«. Die Fachleute sehen zwei Anzeichen für einen Prozess namens
»critical slowing down«, der einen kritischen Übergang zwischen zwei sehr unterschiedlichen
Zuständen signalisiert. Eines dieser Anzeichen sei eine höhere Schwankungsbreite in der Meereisbedeckung,
die seit 2006 in Satellitendaten zu beobachten ist. Außerdem hat das Eis ein längeres »Gedächtnis«:
Die Eisausdehnung der Saison zuvor schlägt sich immer stärker im nächsten Jahr wieder. Diese Eigenschaft
bezeichnet man als Autokorrelation. Die Kombination von höherer Schwankungsbreite und zunehmender
Autokorrelation ist in vielen komplexen Systemen ein allgemeines statistisches Anzeichen dafür, dass ein
Übergang in einen neuen Zustand bevorsteht.

Zum Team von Hobbs gehört auch Edward W. Doddridge, der bereits im September 2023 die ersten
Anzeichen eines solchen Kipppunkts in der Antarktis postuliert hatte. Die neue Veröffentlichung stützt
auch seine Vermutung für die Ursache des Trends. Demnach nämlich hat der entscheidende Einfluss
auf das Meereis gewechselt. Noch während des 20. Jahrhunderts entschied die Atmosphäre darüber,
wie weit sich das Eis nach Norden ausbreitete. Doch seit etwa 2015 hat sich warmes Oberflächenwasser
im Südozean ausgebreitet und bestimmt die Eismenge. Das deutet darauf hin, dass der Klimawandel
mit einigen Jahren Verspätung nun auch in der Antarktis angekommen ist.

Das Problem mit kritischen Übergängen ist, dass man erst hinterher sicher sagen kann, dass man einen
erreicht oder sogar überschritten hat. Insofern sind auch andere Interpretationen möglich – zumal der
Mangel an Daten aus der Antarktis alle Arten von Schlussfolgerungen sehr unsicher macht. Sollte sich
die These vom überschrittenen Kipppunkt bestätigen, wäre das Meereis-Minium von 2023 allerdings
nur der Anfang. Wärmeres Wasser, weniger Meereis und mehr aufgenommene Sonnenenergie könnten
nun nach und nach auch die Südpolarregion zur Unkenntlichkeit verändern. Das geschieht nicht über
Nacht –die Weiten des immensen Südozeans und die gewaltigen Eisreserven auf dem Kontinent sorgen dafür,
dass wirklich drastische Veränderungen in der Region sich über Jahrzehnte abspielen. Doch die Größe
und Bedeutung der Südpolarregion für das globale Klima heißen auch, dass schon kleine Veränderungen
um den gefrorenen Kontinent weltweite Folgen haben.

                                   Bestand                                                                                                 Konzeptentwurf 


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Wo das Vogelgrippevirus in einem Bestand auftritt, müssen zumeist alle Tiere getötet werden.
So auch hier in einem tschechischen Betrieb. Die Massenhaltung von Geflügel verbreite das Virus
wie ein »Tsunami«, sagt die Virologin Diana Bell.

Die Vogelgrippe wachse sich zur globalen Bedrohung für die Artenvielfalt und den Menschen aus,
sagt die Virologin Diana Bell im Interview.
Die Hauptschuld sieht sie bei der Massentierhaltung.

Frau Bell, können Sie abschätzen, wie viele wilde Vögel schon durch den anhaltenden Ausbruch
der Vogelgrippe getötet wurden?
Zweifellos sehr viele Millionen. Genaue Zahlen gibt es nicht. Denn wir wissen nicht, wie viele Seevögel
unbemerkt im Meer versinken oder in entlegenen Gegenden verenden. Aber allein die unglaublich
hohen Todesraten von Tieren, die vor unseren Augen sterben, sind erschütternd und beispiellos.
Wir stehen einer Panzootie riesigen Ausmaßes gegenüber, einer Pandemie im Tierreich.

Könnte das Virus das Überleben ganzer Arten bedrohen?
Gut möglich. In Großbritannien brüten zum Beispiel 60 Prozent aller Skuas der Erde, drei Viertel
davon sind seit dem Ausbruch der jetzigen Welle vor drei Jahren gestorben. Bei uns brütet auch die
Hälfte aller Basstölpel weltweit. Die Vogelgrippe hat ein Viertel davon vernichtet. Viele Vogelarten
sind weitaus seltener und haben nur kleine Populationen. Sie sind besonders stark gefährdet. Auch
viele Säugetiere sterben massenhaft. In Argentinien wurde gerade fast der gesamte Nachwuchs der
See-Elefanten getötet. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Die Artenvielfalt auf der Erde leidet heute schon stark unter der Zerstörung von Lebensraum,
Umweltverschmutzung und Klimawandel. Jetzt auch noch Vogelgrippe?
Wie ordnen Sie diese Gefahr ein?
Die Vogelgrippe ist eine der größten Bedrohungen für unsere Wildtiere. Und sie kommt zu den von Ihnen
genannten Gefahren hinzu. Die besonders stark betroffenen Meeresvögel stehen beispielsweise schon durch
Nahrungsmangel auf Grund von Überfischung unter Druck, durch Meeresverschmutzung mit Plastik und
Chemikalien – und natürlich durch den Klimawandel, der in ihren Hochburgen in der Arktis und Antarktis
besonders stark ausgeprägt ist. Die Vogelgrippe droht ein weiterer Sargnagel für die Natur zu werden,
wenn wir nicht entschlossen handeln.

Wird die von ihr ausgehende Gefahr für die globale Biodiversität bisher politisch unterschätzt?

Das ist leider so, ja. Viele Menschen, auch viele Verantwortliche, haben noch nicht begriffen,
dass wir hier nicht von einer Geflügelkrankheit sprechen, die auch Auswirkungen auf wilde Tiere hat,
sondern von einer globalen Bedrohung für die Artenvielfalt.
Vogelgrippe-Opfer in Argentinien | Das Virus springt inzwischen immer wieder auch auf Säugetiere über.
An der Atlantikküste der argentinischen Provinz Patagonien tötete es zahlreiche Seevögel und Seelöwen,
wie hier im August 2023. Auch junge See-Elefanten verendeten in Massen.
Was müsste unternommen werden, um die Seuche zu begrenzen oder gar zu besiegen?
Um das Schlimmste abzuwenden, müssen wir uns mit der Hauptquelle dieses Virus befassen:
Das ist die Massenhaltung von Geflügel.
Das Virus ist in der Geflügelzucht entstanden. Gegenwärtig wird aber die Verbreitung über
Zugvögel als wichtigster Übertragungsweg angesehen. Fälschlicherweise?
Als Wissenschaftlerin muss ich mich an den Fakten orientieren, und da halte ich den Handel mit
Geflügel und auch den illegalen Handel mit Wildvögeln für einen weitaus größeren Faktor.
Schon in den 1990er Jahren, als das Virus von China nach Westen kam, wurden Zugvögel verantwortlich
gemacht. Die sind aber in der fraglichen Jahreszeit in eine ganz andere Richtung unterwegs gewesen.
Die ersten in Europa entdeckten Infektionen stammen dementsprechend auch von illegal im Handgepäck
eingeschmuggelten Adlern aus Thailand. Bei Vogelgrippe-Ausbrüchen in vielen Ländern konnten illegale
Einfuhren von Geflügel als Ursache nachgewiesen werden, so in Großbritannien, Kanada und Italien.
In Spanien führte die Spur direkt zu chinesischen Restaurants.
»Ausbrüche in Farmen befeuern die Epidemie. Aber es ist eben einfacher, wilde Vögel verantwortlich
zu machen, als sich mit einer Milliardenbranche anzulegen«
Gerade erst hat die Vogelgrippe die Antarktis erreicht. Über Geflügel?
Der erste Fall wurde nahe der argentinischen Forschungsstation bei einer Skua entdeckt, einem Aasfresser.
Argentinien ist stark von der Vogelgrippe betroffen. Möglicherweise sind Geflügelprodukte über die
Versorgungsschiffe in die Region gekommen oder sie wurden durch die vielen Touristengruppen eingeschleppt.
Fragen Sie doch mal, warum das Virus bisher Australien nicht erreicht hat, obwohl sehr viele Zugvögel aus der
Arktis dorthin ziehen: Australien importiert eben nur ein Prozent des Geflügels, das es konsumiert. Wir sollten uns
nicht stur an eine einmal formulierte Hypothese klammern, sondern alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.
Bezweifeln Sie generell, dass Zugvögel das Virus verbreiten?
Nein, aber ihnen wird ein zu großer Anteil zugeschrieben. Es ist eben einfacher, wilde Vögel verantwortlich zu machen,
als sich mit einer Milliardenbranche wie der Geflügelindustrie anzulegen. Gleichzeitig wird die Epidemie durch
Ausbrüche in Farmen beständig befeuert. Und auch durch die Transporte: Milliarden Vögel wandern jedes Jahr um
die Erde. Ein menschengemachter Vogelzug sozusagen. In Geflügelfarmen leben hunderttausende Tiere oft unter
schlechten Bedingungen auf engstem Raum. Virenbelastete Rückstände werden als Dünger verwendet, um nur ein
Beispiel zu nennen. So etwas nenne ich eine sehr effektive Methode, ein Virus wie einen Tsunami zu verbreiten.
Vogelgrippe auf Helgoland
An einem Geländer auf dem Lummenfelsen von Helgoland wird vor der Geflügelpest gewarnt.
Das Virus tötet auch im deutschen Teil der Nordsee Wildvögel.

Ohne ein Ende der Massentierhaltung werden wir die Seuche nicht bewältigen können?
Wir müssen unsere Art der Geflügelfleischproduktion überdenken. Die Betriebe sollten ihre Küken
selbst aufziehen und ihre Eier von den eigenen Tieren legen lassen, anstatt Küken und Eier weltweit
herumzuschieben. Der Trend zu Megafarmen mit über einer Million Tieren muss gestoppt werden.
Kleinere Betriebe ermöglichen auch mehr Tierwohl. Wir haben – angetrieben durch eine veränderte
Nachfrage von Verbrauchern – bei der Produktion von Eiern schon viele Verbesserungen erreicht.
Dasselbe muss mit Geflügelfleisch geschehen. Nicht zuletzt ist das auch die beste Prävention gegen
eine neue Pandemie.
Dass sich Säugetiere anstecken, ist bislang eher die Ausnahme. Und wenn doch, geben sie das Virus
in der Regel nicht an Artgenossen weiter. Die Weltgesundheitsorganisation sieht darum nur eine
geringe Gefahr, dass das Virus massenhaft auf Menschen übergreift und sich zu einer neuen Pandemie
auswächst. Sie sehen das anders?
Offen gestanden überrascht mich diese Haltung. In den letzten 20 Jahren wurden aus zwei Dutzend Ländern
fast 900 Fälle von menschlichen Infektionen mit dem H5N1-Virus gemeldet, die Hälfte verlief tödlich.
Meist waren es Arbeiter in Hühnerfarmen. Und es gibt neben H5 auch andere Subtypen der Vogelgrippe,
die gefährlich sind. Vor wenigen 
wenigen Wochen starb in China eine Frau nach Kontakt zu Geflügel an
einem H10-Virus.
Was muss geschehen, um die Gefahr zu senken?
Wir müssen den Verlauf der Epidemie genau beobachten und viel mehr testen, um mitzubekommen,
wie sich das Virus verändert. Es hat sich bereits als sehr anpassungsfähig erwiesen. Ich gehe zumindest
für See-Elefanten und Zuchtnerze davon aus, dass es sich dort inzwischen auch von Tier zu Tier
verbreitet. Das verstärkt die Gefahr einer Pandemie, denn Säugetiere stehen uns Menschen viel näher als
Vögel.
Sie halten nach Corona eine Pandemie durch die Vogelgrippe für eine akute Gefahr?
Wir sollten das Problem ernst nehmen, denn es ist sehr ernst. Für Tier und Mensch. Wir müssen mehr tote
Vögel testen und das Virus sequenzieren, damit wir sehen, ob es gefährliche Mutationen gibt. Es ist gut möglich,
dass wir nur ein oder zwei Mutationen von der nächsten Pandemie entfernt sind. Wir haben gerade Covid
hinter uns. Wie oft müssen wir es noch auf die harte Tour lernen? Wir sollten schleunigst daran arbeiten,
einen Impfstoff für Menschen gegen das Virus zu entwickeln und das Hauptproblem an der Wurzel packen:
die Massentierhaltung.